Der Erinnerungsort „Der unterbrochene Wald“
„Der unterbrochene Wald“ erinnert an die in der NS-Zeit ermordeten saarländischen Juden. Er ist nach einem Konzept des Darmstädter Bildhauers Prof. Ariel Auslender gestaltet. Der Entwurf war 2012 als Sieger aus einem von der Landeshauptstadt Saarbrücken organisierten Kunstwettbewerb hervorgegangen.
Die Skulptur aus 40 bronzenen und 1,10 Meter hohen Baumstämmen gruppiert sich ungeordnet auf dem Platz und ragt ein Stück in die Freitreppe der Berliner Promenade hinein.
Die Skulpturengruppe aus Baumstümpfen schafft ein Bild der Erinnerung, von Verlust und brutal gekappter Tradition. Sie stellt einen Kontrast zu den feingliedrigen japanischen Schnurbäumen auf der Platzfläche dar. So wird die Unterschiedlichkeit des „natürlichen Waldes“ einerseits und des stilisierten Erinnerungswaldes andererseits verdeutlicht.
Jüdisches Leben an der Saar und in Saarbrücken
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde durch die Bestimmungen des Versailler Vertrages das Saargebiet von Deutschland abgetrennt und unter Völkerbundsverwaltung gestellt. 15 Jahre später bzw. 1935 sollte die Bevölkerung darüber abstimmen, ob sie diesen Status beibehalten, die Rückgliederung an Deutschland oder den Anschluss an Frankreich wollte.
Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 entwickelte sich in NS-Deutschland ein immer stärkerer Antisemitismus. Dies veranlasste viele Juden, Deutschland zu verlassen und im Saargebiet Schutz zu suchen. Täglich erreichten neue Flüchtlinge die Saarbrücker Synagogengemeinde. Der Saarbrücker Rabbiner Dr. Rülf erkannte die drohenden Gefahren.
In den Saarbrücker Schulen kam es zu massiven Übergriffen von Kindern auf ihre jüdischen Mitschüler. Die Synagogengemeinde forderte deshalb 1933 eine eigene Schule.
Vor allem durch den Einsatz von Rülf und seinem Netzwerk gelang es internationalen jüdischen Organisationen im Römischen Abkommen NS-Deutschland zu verpflichten, dass alle Bewohner des Saargebiets, die am 3.12.1934 dort wohnhaft waren, bis zum 29.2.1936 ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit keine Schlechterstellung wegen ihrer Sprache, Rasse oder Religion erfahren sollten.
Volksabstimmung 1935 und Anschluss an das Deutsche Reich
Das bedeutete, im Falle einer Rückgliederung an Deutschland werden antijüdische Gesetze im Saarland für ein Jahr ausgesetzt. Bei der Volksabstimmung am 13.1.1935 stimmten über 90 Prozent der Saarländer für den Anschluss an das Dritte Reich. Nach diesem Ergebnis flohen immer mehr jüdische Familien ins Ausland. Das Römische Abkommen half vielen saarländischen Juden, im Ausland Sicherheit zu finden. Niemand konnte ahnen, dass die NS-Vernichtungsmaschinerie sie einholen sollte.
In der Nacht vom 9. auf den 10.11.1938 wurden auch im Saarland die Synagogen entweiht, zerstört und in Brand gesteckt - auch die Saarbrücker Synagoge, Ecke Futterstraße/Kaiserstraße. Jüdische Menschen wurden von SS-Einheiten aus ihren Wohnungen geholt, erniedrigt und schwer misshandelt. 1939 waren fast 90 Prozent der jüdischen Bevölkerung an der Saar emigriert.
Bei der Volkszählung am 17.5.1939 lebten nur noch 177 Juden in Saarbrücken. Am 22.10.1940 wurden die noch im Saarland lebenden Juden zusammen mit den Juden aus Baden und der Pfalz per Eisenbahn in verplombten Viehwaggons ins südfranzösische Gurs deportiert. Von dort kamen die meisten in Vernichtungslager wie Auschwitz und Theresienstadt, wo sie kaltblütig ermordet wurden.
Rabbiner Dr. Friedrich Schlomo Rülf
Dr. Friedrich Schlomo Rülf war von Herbst 1929 bis Anfang Januar 1935 in der jüdischen Gemeinde Saarbrücken als Rabbiner tätig. Während des Ersten Weltkrieges war er als Feldrabbiner an der Westfront eingesetzt. Früh erkannte er die Dimension der nationalsozialistischen Bedrohung. Rasch setzte er sich dafür ein, die jüdische Gemeinde zu schützen.
Federführend war er an der Gründung der privaten jüdischen Volksschule in Saarbrücken beteiligt. In der jüdischen Gemeinde hatte er ein fünfköpfiges „Komitee“ gegründet, das geheim arbeitete. Rülf und seine Mitstreiter waren maßgeblich am Zustandekommen des Römischen Abkommens beteiligt.
Rülfs Entschluss zur Emigration nach Palästina, der ihn schon vor seinem Amtsantritt in Saarbrücken beschäftigt hatte, war inzwischen unwiderruflich gefestigt und er verließ am 10.1.1935 Saarbrücken. Nach der Saarabstimmung vom 13.1.1935 bemühte sich Rülf intensiv, die Umsetzung des Römischen Abkommens zu sichern.
In Palästina nahm er seinen zweiten Vornamen Schlomo an. Zunächst arbeitete er von Oktober 1935 bis Herbst 1937 an der landwirtschaftlichen Schule in Mikveh Israel, dann widmete er sich bis 1958 dem Aufbau des Schulwesens in der von deutschen Juden gegründeten Siedlung Naharya (Israel). Seine Verbindung zum Saarland brach nie völlig ab.
1951 kehrte er für ein Jahr als Rabbiner nach Saarbrücken zurück und half beim Wiederaufbau der im Sommer neu gegründeten Synagogengemeinde Saar mit. 1976 starb er in Vevey (Schweiz) während einer Europareise.