Namentliches Gedenken an die jüdischen Opfer der NS-Gewaltherrschaft, die im früheren Saargebiet gelebt haben. Auch zum Gedenken an weitere jüdische Opfer, die im Denkmal unbenannt sind, weil ihr persönliches Schicksal nicht in Erfahrung gebracht werden konnte.
Neues Denkmal vor der Saarbrücker Synagoge
Um das bis dahin noch ausstehende namentliche Gedenken an die jüdischen Opfer der NS-Gewaltherrschaft aus dem Saarland zu verwirklichen und um die Erinnerung an ihre Deportation und Ermordung für künftige Generationen nachhaltig wachzuhalten, haben das Saarland und die Landeshauptstadt Saarbrücken in Abstimmung mit der Synagogengemeinde Saar beschlossen, auf dem 2018 neu geschaffenen Synagogenvorplatz in Saarbrücken, dem heutigen "Platz der Erinnerung", ein zeitgemäßes Denk- und Mahnmal als zentralen Gedenkort für das gesamte Saarland entstehen zu lassen. Die Initiative für ein namentliches Gedenken auf dem Platz vor der Synagoge ging vom damaligen Vorstandsvorsitzenden der Synagogengemeinde Saar, Richard Bermann, aus
Aus den 98 bei einem offenen anonymen Künstler*innenwettbewerb 2019 eingereichten Vorschlägen ging der Entwurf der Künstlergruppe Mannstein + Vill Berlin als Sieger hervor.
Eine wesentliche Vorgabe bei der Auslobung des Wettbewerbs war die Nennung der einzelnen Namen der - nach derzeitigem historisch erforschten Kenntnisstand - rund 2000 Saarländischen Opfer des Holocaust. Der prämierte Entwurf setzt diese Vorgabe auf ästhetische, filigrane und unprätentiöse Weise um.
Das Saarland und die Landeshauptstadt Saarbrücken haben die Kosten des Projektes jeweils zur Hälfte finanziert. Im Vorfeld wurden die Gelder durch den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Synagogengemeinde Saar, Richard Bermann, eingeworben. Der Verein "DenkmalMit!", dessen ehemaliger Vorsitzender Richard Borg von 1998 bis 2007 Vorstandsvorsitzender der Synagogengemeinde Saar gewesen war, hat das Projekt durch eine Spende unterstützt.
Edelstahl-Band mit einer Liste der 1.928 Opfer
Über die Skulptur
Die Skulptur - eine durchsichtige, „schwankende“ Wand mit einer Gesamtgrundfläche von acht mal drei Metern - besteht aus einem mehrfach geschwungenen, leicht geneigten und begehbaren, abgerollt 15 Meter langen und 2,60 Meter hohen Edelstahl-Band, das ausschließlich aus den mittels Lasertechnik freigefrästen Buchstaben und Ziffern der Namen und Geburtsdaten sowie der Todesdaten und Todesorten der Opfer besteht.
Diese namentliche Aufzählung der deportierten und ermordeten jüdischen Frauen, Männer und Kinder aus dem damaligen Saargebiet knüpft unmittelbar an das Saarländische Holocaust-Mahnmal „Der unterbrochene Wald“ von Ariel Auslender auf dem 2013 geschaffenen Rabbiner-Rülf-Platz an und vervollständigt es gewissermaßen. Denn anfänglich war ein namentliches Erinnern bereits auf dem dortigen Ensemble angedacht, es konnte jedoch damals nicht realisiert werden.
Die vor der Synagoge als permanentes und sichtbares Denkmal konzipierte Skulptur (im Unterschied zum 1993 eingeweihten unsichtbaren Mahnmal von Jochen Gerz auf dem Saarbrücker Schlossplatz) belegt implizit, ohne sie zu nennen, die bis 2021 bekannt gewordene konkrete Zahl der Opfer aus dem Saarland und mit saarländischem Bezug.
Aufwändige Recherche der Opferdaten
Das Stadtarchiv der Landeshauptstadt und das Landesdenkmalamt haben 2019 und 2020 die Opferdaten mit Unterstützung des Saarländischen Landesarchivs nach wissenschaftlichen Kriterien recherchiert und erfasst. Als Datengrundlage dienten die Opferliste der Synagogengemeinde Saar, die im Wesentlichen vom damaligen Vorstandsvorsitzenden Richard Bermann in eigener Recherche zusammengestellt worden war, sowie Vorarbeiten des Vereins "DenkmalMit!", die unter Leitung des ehemaligen Vorsitzenden Richard Borg entstanden sind. So entstand bis Anfang 2021 eine Liste mit 1.928 Datensätzen von ermordeten Opfern.
Diese Daten erscheinen im Denkmal in alphabetischer Reihenfolge. Die Datensätze werden voneinander durch zwei senkrechte Striche abgegrenzt.
Wer wird als Opfer erfasst?
Als Opfer wurden für die Erstellung der Liste nicht nur die in den Konzentrationslagern Ermordeten oder mit unbekanntem Ziel „in den Osten“ Deportierten und seitdem Verschollenen betrachtet. Es wurden auch diejenigen mit in das Gedenken aufgenommen, die in der Emigration als Soldat oder Resistancekämpfer gefallen sind, diejenigen, die durch die Entbehrungen und Qualen der Flucht und des versteckten Lebens in der Illegalität umkamen, sowie auch diejenigen, die sich angesichts ihrer Verfolgung für den Freitod entschieden.
Für viele dieser Opfer ist ein genaues Todesdatum nicht festzustellen. Sofern es kein späteres durch Dokumente belegtes Datum gibt, wurde für sie das Datum der Deportation als Todesdatum gesetzt.
Die Verfasser der Opferliste hatten auch zu entscheiden, wer als „Saarländer“ gelten soll. Viele der Opfer sind nicht im Saarland geboren. Ein Teil war aus Osteuropa zugewandert. Eine weitere Zuwanderungswelle setzte nach Beginn der Verfolgung im Deutschen Reich ein.
Nach gewissenhaftem Abwägen haben sich die Forscherinnen und Forscher entschlossen, alle jüdischen Bürgerinnen und Bürger als Saarländer zu zählen, für die sich ein Aufenthalt von wenigstens einem Jahr im damaligen Saargebiet belegen lässt. Auch in der Emigration geborene Kinder wurden mit einbezogen.
Die Recherche nach eventuellen weiteren Opfern ist jedoch nicht abschließbar. Insofern stellt das Mahnmal keinen endgültigen Zustand der Opferliste dar, sondern gibt bloß ein vorläufiges Ergebnis wieder.