Erinnerung an die Verfolgung queeren Lebens

Jury hat Siegerentwurf ausgewählt

Der Siegerentwurf für den geplanten Gedenkort zur Erinnerung an die Verfolgung queeren Lebens in der Faßstraße steht fest: Am Mittwoch, 25. Juni, hat sich die Jury in ihrer finalen Sitzung für den Entwurf „Saarbrückens Goldener Kitt“ der Landschaftsarchitektin und Künstlerin Julia Treichel aus München entschieden.

"Der Entwurf integriert bewusst den bestehenden städtebaulichen Kontext" Julia Treichel, Künstlerin

„Der Entwurf integriert bewusst den bestehenden städtebaulichen Kontext und greift dabei auf ortsspezifische Elemente zurück, wie die markante Pflastergestaltung des Künstlers Paul Schneider und die prägnanten, sich im Herbst goldfärbenden Gingko-biloba-Bäume“, sagt Julia Treichel.

Aus diesem Pflaster werden einzelne Steine entnommen, so dass ein Riss entsteht, der sinnbildlich für die erlittene Diskriminierung steht und nach dem Prinzip der traditionellen japanischen Reparaturmethode Kintsugi mit einer goldfarbenen Masse gefüllt wird.

"Der Entwurf thematisiert gesellschaftliche Zusammenhänge, indem er gleichzeitig von Trennung und Verbindung kündet und es schafft, Ambivalenzen zu verbinden.“ aus der Jury-Entscheidung

Die Jury begründet ihre Entscheidung folgendermaßen (Auszug): „Bei Julia Treichels Entwurf handelt es sich um eine subtile Form der Erinnerung, die an die Tradition des unsichtbaren Mahnmals in Saarbrücken anschließt und die filigrane Formensprache bereits realisierter Erinnerungsorte in der Landeshauptstadt fortführt. ‚Saarbrückens Goldener Kitt‘ ist ein Entwurf, der sich dem Betrachter sehr schnell erschließt und zugleich Interpretationsraum eröffnet.

Durch die Verfolgung queeren Lebens ist ein Riss entstanden, der sich durch unsere Gesellschaft zieht. Dieser Riss wurde scheinbar geschlossen und ‚gekittet‘, aber er bleibt weiterhin als Wunde sichtbar. Der Entwurf thematisiert gesellschaftliche Zusammenhänge, indem er gleichzeitig von Trennung und Verbindung kündet und es schafft, Ambivalenzen zu verbinden.“

"Der neue Erinnerungs- und Gedenkort soll eine Ermutigung zur Zivilcourage in der Gegenwart sein." OB Uwe Conradt

Oberbürgermeister Uwe Conradt: „Der neue Erinnerungs- und Gedenkort soll eine Ermutigung zur Zivilcourage in der Gegenwart sein, um gegen Unrecht und Diskriminierung aufzustehen und sich für eine offene Gesellschaft einzusetzen, die Menschenrechte bewahrt. Überall dort, wo Menschen miteinander in Kontakt kommen und sich austauschen, gibt es die Chance, die eigene Perspektive zu verändern und Vorurteile abzubauen.“

"...inhaltlich mit der Erinnerung an die Opfer der Verfolgung queeren Lebens im Saarland von 1935 bis 1994 auseinandersetz(en)... gleichzeitig positiven Ort im städtischen Raum schaffen…“ Kulturdezernentin Dr. Dengel

Die Dezernentin für Bildung, Kultur und Jugend, Dr. Sabine Dengel: „Es war unser Ziel, eine adäquate künstlerische Lösung zu finden, die sich inhaltlich mit der Erinnerung an die Opfer der Verfolgung queeren Lebens im Saarland von 1935 bis 1994 auseinandersetzt und dem Gedenken an die Opfer menschenverachtender Diskriminierung und Verfolgung Raum geben soll.

Dabei war es uns gleichzeitig sehr wichtig, einen positiven Ort im städtischen Raum zu schaffen, der von den Menschen in Saarbrücken angenommen und belebt wird.“

Ausstellung des Siegerenwurfs und der Wettbewerbs-Entwürfe 

Das Kulturamt der Landeshauptstadt Saarbrücken hatte Ende 2024 einen Wettbewerb zur Gestaltung eines Kunstwerks im öffentlichen Raum ausgeschrieben: In der Saarbrücker Faßstraße soll ein „Ort der Erinnerung an die Verfolgung queeren Lebens“ entstehen. Von 26. Juni bis 10. Juli werden der von der Jury ausgewählte Siegerentwurf sowie acht weitere künstlerische Arbeiten der engeren Auswahl im Hauberrisser Saal des Rathauses St. Johann öffentlich präsentiert.

Die Ausstellung ist während der regulären Öffnungszeiten des Rathauses St. Johann zu besichtigen: Montag bis Freitag, 9 bis 17 Uhr.

Kunstwettbewerb erfolgreich durchgeführt

In Abstimmung mit dem LSVD Landesverband Saar e.V. wurde in der Faßstraße, im Bereich der erweiterten Fußgängerzone am St. Johanner Markt, eine rund 100 Quadratmeter große Aktionsfläche für das Wettbewerbsverfahren festgelegt. Zur Findung eines Gestaltungs-Entwurfs für diesen Gedenkort wurde von November 2024 bis Juni 2025 ein zweistufiger, offener Realisierungswettbewerb durchgeführt.

Über den Gedenkort

Der Standort des Gedenkortes in der Faßstraße, nahe der Obertorstraße und am Übergang zur Mainzer Straße, wurde aus zwei Gründen gewählt: Erstens wegen der Nähe zu ehemaligen Szenelokalen und zweitens, weil hier der Endpunkt der Parade zum Christopher Street Day (CSD) durch Saarbrücken liegt.

Im Gebäude Mainzer Straße 4 betrieb Margarete Bardo (*1916; †2000) von 1961 bis 1991 das Lokal »Madame« und bot lesbischen und schwulen Menschen, Trans*- und Inter*-Personen sowie ihren Verbündeten damit eine Art Heimat. In der Obertorstraße 10 befand sich darüber hinaus bis Ende 2022 das Szenelokal »History«, ein bedeutender Treffpunkt für die Community.

Die ursprüngliche Fußgängerzone St. Johanner Markt wurde 1979 eingeweiht. Künstlerinnen und Künstler sowie und Architektinnen und Architekten schlossen sich damals als Arbeitsgemeinschaft zusammen. Daraus entstanden die bis heute erhaltene Pflastergestaltung des Künstlers Paul Schneider (*1927; †2021) sowie verschiedene Brunnen und Steinkunstwerke.

 

Regenbogenbank in der Obertorstraße als Begegnungsort

Regenbogenbank Obertorstraße - LHS

Regenbogenbank Obertorstraße - LHS

Regenbogenbank Obertorstraße - LHS

Die Regenbogenbank dient als Begegnungsort und symbolisiert die Akzeptanz verschiedener Lebensstile.

Mit der bunten Rundbank setzte die Landeshauptstadt in 2023 ein Signal für Akzeptanz und Vielfalt sowie gegen die Diskriminierung von Menschen mit den unterschiedlichsten sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten.

"Die Regenbogenbank soll auch ein Zeichen der Ermutigung zur Zivilcourage sein, gegen Unrecht und Diskriminierung aufzustehen und für eine offene Gesellschaft einzutreten, die die Menschenrechte bewahrt und umsetzt", so Irene Portugall, aus dem damaligen Landesvorstand LSVD Saar.

Die Runge GmbH & Co. KG - Fabrik für Holz-, Metall- und Edelstahlverarbeitung hat die Rundbank gefertigt. Die Planungen des Kulturamtes sind durch die Kunstkommission der Landeshauptstadt Saarbrücken begleitet worden.

Historischer Hintergrund

123 Jahre lang wurden Homosexuelle in Deutschland aufgrund des Paragrafen 175 Strafgesetzbuch wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt. Dieser Paragraf richtete sich ab der Zeit des Kaiserreichs bis 1969 ausschließlich gegen männliche Homosexualität.

Da Begriffe wie „Homosexuelle“, „Schwule“ oder „Lesben“ aus heutiger Perspektive oft als zu eng gefasst und ausschließend wahrgenommen werden, wurde später zusätzlich die Bezeichnung „queere Menschen“ eingeführt.